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Eingewöhnung mit klammerndem Kind

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Eingewöhnung ist immer eine besondere Phase

Es ist immer wieder aufregend: Ein neuer Platz in der Kita oder bei dir als Tagesmutter ist frei geworden. 

Bald darauf folgt das erste Telefonat mit Eltern, die händeringend einen Platz für ihren Schatz suchen, dann das erste Kennenlernen, meist mit den Eltern und ihrem Kind. Man empfängt den ersten Eindruck, spürt die hoffnungsvolle Erwartung der Eltern und weiß: vieles, wenn nicht alles wird von dem ersten Gespräch und der anstehenden Eingewöhnung abhängen.

Die Eltern machen sich ihr Bild, haben ihre private Situation, wägen Vor-und Nachteile ab, aber vor allem zählt für sie das Vertrauen in die Einrichtung und insbesondere die Erzieherinnen, dass Ihr Kind hier wirklich in guten Händen ist. 

Sicher, es gibt einen zunehmenden Druck, so dass die Notwendigkeit, einen Platz zu finden, manchmal die fürsorglichen Gefühle etwas verdrängen, aber die meisten Mütter kommen mit vielen Fragen in das Erstgespräch

Sie sind sehr interessiert daran zu erfahren, wie der Tagesablauf gestaltet wird, was es zu essen gibt, ob ihr Kind draußen spielen kann usw. 

Erst wenn die Mutter bzw. die Eltern die Sicherheit gewonnen haben, dass ihr Kind sich hier wohlfühlen wird, werden sie bereit sein, die Betreuung, die oft die erste richtige Ablösung von der Mutter darstellt, zuzulassen. 

Und genau hier entsteht sehr oft ein typisches Dilemma, das alles in eine schier unauflösbare Dynamik hinein manövrieren kann, die einer der häufigsten Gründe für eine abgebrochene Eingewöhnung darstellt. 

Beispiel für eine Eingewöhnung – Das Erstgespräch

Stellen wir uns so ein Erstgespräch in einer Kita vor. Die Mutter kommt mit ihrem einjährigen Mädchen auf dem Arm herein.

Das Mädchen, nennen wir sie Anna, schaut interessiert, doch als die Erzieherin, sagen wir, sie heißt Sabine, dem Kind direkt in die Augen schaut, wendet sie sich ab und schmiegt sich fest an die Mama hin. Die Mutter sagt entschuldigend: „Meine Anna tut sich schon immer schwer mit Fremden.“

Zum Gespräch befinden die drei sich dann im Spielbereich mit vielen interessanten Dingen. Die Erwachsenen beginnen ein Gespräch, bei dem die Mütter erstmal ihre Fragen los werden darf. Sabine hört aufmerksam zu und gibt freundlich Auskunft. Anna sitzt bei der Mutter auf dem Schoß. Dann wird sie unruhig, sie zieht an der Mutter herum, zupft an ihren Haaren. Als sie dann richtig an den Haaren zieht, reagiert die Mutter, indem sie sagt: „Möchtest Du was trinken, mein Schatz?“ 

Die Mutter unterbricht das Gespräch, um Anna ihre Trinkflasche zu geben. Die nippelt ein wenig daran und die Erwachsenen wollen das Gespräch fortsetzen. Doch Anna hat sich nur kurz ablenken lassen, jetzt wird sie wieder unruhig und greift nun direkt nach der Brust der Mutter – nun können sie ein paar Dinge besprechen. Anna trinkt ein Weilchen, plappert dann ein wenig vor sich hin und spielt dabei mit den Haaren der Mutter. 

Im Gespräch äußert die Mutter ihre Bedenken. Sie wolle und müsse auch wieder arbeiten, mindestens halbtags, aber Anna sei ein „Mama Kind“, sie könne sie kaum bei jemandem abgeben, sogar beim Papa bleibe sie nur 1 bis 2 Stunden, dann brauche sie die Mama wieder. 

Sabine fragt auch nach dem Stillen und die Mutter bejaht, dass Anna nach Bedarf gestillt werde und unregelmäßig, aber häufig trinken müsse. Sie könne sich momentan noch gar nicht vorstellen, wie das mit der Eingewöhnung klappen soll. 

Sabine versucht die Mutter zu beruhigen, indem sie schildert, dass das keine Ausnahme sei und die Eingewöhnung dazu da sei, Anna schrittweise an die neue Situation zu gewöhnen. Dazu gehöre, eine gute Bindung aufzubauen und nach und nach zu lernen, ein paar Stunden ohne die Mama und das Stillen auszukommen. 

Das Gespräch wird nochmals unterbrochen. Anna fühlt sich nun gestärkt und möchte nun doch den Raum erkunden. Allerdings soll die Mama unbedingt dabei sein und sie begleiten, denn sie zieht an Mamas Hand. Die Mutter lässt sich nun von ihrer Tochter verschiedene Spielsachen zeigen, darunter eine Puppe, so dass die Mutter die Puppe nimmt und zeigt, wie man diese Füttern kann. Anna möchte auch im Spiel gefüttert werden. Als Anna beginnt, sich mit den Spielsachen zu beschäftigen, setzen die Mutter und Sabine ihr Gespräch dort auf dem Boden fort. 

Anna zieht nun währenddessen lauter verschiedene Sachen raus, um dann auf den Schoß der Mutter zu gehen und erneut die Brust einzufordern. Beim Stillen schlägt Sabine vor, das Treffen langsam zum Ende zu bringen. Danach fordert die Mutter Anna auf, beim Aufräumen zu helfen, aber Anna kann das nicht umsetzen. Sie möchte nun noch weiter spielen. 

Sabine versucht darüber mit ihr Kontakt zu kommen, aber plötzlich will Anna nun wieder auf Mamas Arm. Sie fängt an, ein wenig zu weinen. „Du kannst morgen wieder spielen, mein Schatz.“ Du brauchst nicht weinen. Morgen kommen wir wieder. Alles ist gut.“ 

Anna kann sich jedoch schlecht beruhigen. Als sie die Schlüssel der Mama haben darf, ist sie zufrieden und im Flur möchte sie dann auch ihre Jacke und ihre Schuhe anziehen. Die Mutter verabschiedet sich und fordert Anna auf, Sabine zu winken. Doch da möchte Anna wieder auf den Arm genommen werden und so gehen die beiden dann hinaus.

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Das Dilemma der Mutter

So oder in vielerlei Varianten könnte sich ein erstes Kennenlernen zu tragen. 

💡 Und was zeigt sich darin? 

💡 Ist es ein „ganz normales“ Erstgespräch? 

💡 Was hat es mit der davor erwähnten Dynamik zu tun? 

 

Zunächst einmal ist klar, dass man erste Eindrücke mit Vorsicht genießt. Hier können sich Gewohnheiten oder sogar Bindungsmuster zeigen, aber es kann auch einfach nur eine Momentaufnahme sein, die eher eine Ausnahmesituation zeigt. Meine Erfahrung jedoch zeigt, dass die Signale, vor allem wenn sie sich nach 2 bis 3 Treffen in ähnlicher Art zeigen, meistens aussagekräftig sind. 

Der Ablöseprozess ist ein typisches Dilemma, das sich negativ auswirken kann. Findet sich das in dem frei gewählten Beispiel? 

Das erste, was mitgeteilt wird, ist das Abwenden von Anna und die Aussage der Mutter, dass sie sich mit Fremden schwer tue. Ungeachtet dessen, ob das nun ein normales Verhalten des Kindes ist oder nicht, ist hier im Grunde schon das Dilemma angedeutet. Die Mutter kommt, um ihre Tochter abzugeben und meint gleichzeitig, dass es mit Fremden problematisch sei. Später äußert sie es dann sehr konkret, denn sie braucht die Betreuung, um zu arbeiten, kann sich aber nicht vorstellen, wie es gehen soll. 

Das Dilemma besteht zwischen dem Wunsch oder sogar dem Druck, ihre Tochter abzugeben und der Überzeugung, dass niemand anderes ihr Kind tatsächlich für mehr als 2 Stunden nehmen kann. Besonders die Aussage, dass das nicht mal mit dem Papa gehe, bestätigt das sehr stark. Dazu kommt das häufige Stillen, das ja nur die Mutter machen kann. 

In der Ist – Situation ist es tatsächlich nicht möglich, Anna von jemand anderem als der Mutter zu betreuen. Die Eingewöhnungszeit muss also nicht nur dazu dienen, dass eine sichere Bindung zu Sabine und Geborgenheit innerhalb der neuen Situation aufgebaut wird, sondern Anna sich zum erstenmal auf eine neue Bezugsperson einlässt und auf das Stillen – zumindest über einen längeren Zeitraum – verzichtet. 

Bei einer oft üblichen Eingewöhnungszeit von 2 bis 4 Wochen, kann das eine ziemliche Herausforderung sein. Die Mutter muss auch gut begleitet werden, damit ihre Sorgen und bisherigen Erfahrungen nicht den Prozess blockieren. 

Man muss auch damit rechnen, dass das noch nicht alles ist…. Wieso? 

Eine unsichere Bindung? 

Manchmal ist der Konflikt eher oberflächlich. Die Sorgen der Eltern sind da, können aber relativ einfach durch gute Informationen, konkrete Begegnungen und Erlebnisse beruhigt werden. 

In manchen Fällen liegt das Dilemma allerdings tiefer. Obwohl wir die Geschichte von Anna noch nicht kennen, gibt es bereits in dem geschilderten Interagieren zwischen Mutter und Kind deutliche Signale darauf, dass unter Umständen ein unsicheres Bindungsmuster vorliegen könnte.

Typische Signale für eine unsicher Ambivalente Bindung

💡 Anna wendet sich von Sabine ab,  sie ist sehr ängstlich

💡 Anna bewegt sich nicht von der Mutter weg, braucht ständig deren Nähe

💡 Anna braucht das Stillen zur Regulation

💡 Anna braucht sehr viel Aufmerksamkeit, kann nicht alleine spielen

💡 Anna zeigt wenig Selbständigkeit z. B. beim Aufräumen, Abschied

💡 Anna ist nicht offen für neue Erfahrung sie geht nicht in Kontakt mit Sabine

💡 Deutliche Ängste der Mutter 

💡 Ambivalenz der Mutter 

💡 Überfürsorglichkeit der Mutter

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Bei unsicheren Bindungen gibt es immer eine entsprechende Vorgeschichte

All die Aspekte zusammen, vor allem, da die Mutter zugegen ist und die Situation zwar neu, aber sicher ist (bzw. sein sollte), bezeichnet ein ängstliches, oft anklammerndes Bindungsmuster. 

Der Situation angemessen wäre Vorsicht und Zurückhaltung zu Beginn, da die Situation fremd ist und dann ein zunehmendes Entspannen, Offenheit und Neugierde, da die Situation als sicher eingestuft werden kann. 

Der zweite Schritt tritt aber nicht ein, auch nicht ansatzweise.

Das heißt, die Mutter kann keine grundlegende Sicherheit geben und die Tochter braucht dadurch den andauernden Kontakt, auch körperlich, um die Unsicherheit zu regulieren. Es muss also eine Vorgeschichte der beiden geben, die dazu geführt hat. 

Nur um eine Idee dazu zu geben, was das sein könnte:

Die Mutter hatte vielleicht eine problematische Schwangerschaft, bei der sie über mehrere Wochen liegen musste, um das Kind nicht zu verlieren. So eine tiefe Erfahrung von realem möglichen Verlust des Kindes kann dauerhafte Ängste erzeugen. Damit einher geht oft eine Überfürsorglichkeit, bei der das Kind dauernd beschützt und versorgt wird. Trennungsmomente sind für die Mutter bedrohlich, da sie die erfahrene Urangst vor Verlust aktivieren. Es wird deutlich, warum oft das Wissen zur Vorgeschichte von Mutter und Kind sehr wichtig ist, weil daraus meistens Verständnis und Empathie für die jetzige Situation erwachsen. 

Wie soll ich damit umgehen? 6 Tipps

Als pädagogische Fachkraft habe ich nun die Möglichkeit, 

  1. gezielt nachzufragen (Vorgeschichte)
  2. Ängste aufzugreifen und zu beruhigen
  3. für Stabilität zu sorgen
  4. mehr Zeit einzuplanen
  5. weitere gute Ressourcen mit einzubeziehen (weitere Bezugsperson)
  6. entsprechende Hilfen aufzusuchen (Team, Fortbildung, Beratung, Coaching) 
Cordula Steffen

Cordula Steffen

Dipl. Dozentin für Eurythmie, qual. KTPP sowie Heilpraktikerin für bindungsbasierte Psychotherapie

Carina Neumann

Carina Neumann

Kindheitspädagogin B.A. in den Bereichen Entwicklung, Entwicklungsförderung und Psychomotorik

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